5 Gründe, warum ich Grammatik liebe
Wenn ich im Sprachkurs ankündige, dass wir Grammatik machen, hält sich die Begeisterung normalerweise ziemlich in Grenzen. Grammatik gilt als der zähe, langweilige Teil des Lernens. Dabei ist das Grammatiktraining doch nach der SMART-Regel eigentlich die perfekte Challenge!
Hier meine fünf Gründe, warum ich Grammatik liebe.
“S wie Spezifisch” - Lernen Schritt für Schritt
Wenn man es sich nicht gerade zum Ziel gesetzt hat, das ganze große Sprachsystem auf einmal zu erfassen, ist das Erlernen grammatischer Strukturen eigentlich immer ziemlich klar definiert. Wir lernen dann zum Beispiel nur kausale Verbindungen oder den richtigen Gebrauch von Modalverben, So sind das “Was”, das “wie” und hoffentlich auch das “warum” nachvollziehbar und übersichtlich, sodass die Herausforderung machbar wird. Wer liebt nicht schnelle Erfolgserlebnisse?
2. “M wie Messbar” - Lernerfolge werden sichtbar
Ein weiterer Vorteil von klar definierten Ziel ist auch, das das Erreichen messbar wird. Anhand von vorhandenen Übungen lassen sich in Bezug auf Grammatik leicht Treffer- und Fehlerquoten erstellen (Hurra! Ich mache es schon zu 80% richtig!), Übersichts- und Lernlisten sind in kleinere Pakete einteilbar (Yeah, die häufigsten 20 unregelmäßigen Formen habe ich gelernt!”), man kann den Lernerfolg gewissermaßen in Echtzeit tracken. Nach meiner Erfahrung sind Teilnehmende immer sehr interessiert an Punkten und Fehlerquoten. Was wir im Sport lieben, gilt auch bei der Grammatik: ich kann besser sein als eine andere Person oder besser sein als ich selbst gestern. Stolz ist auf jeden Fall erlaubt!
3. “A wie Attraktiv” - Das Spiel mit den Varianten
Die Attraktivität ist wahrscheinlich der Knackpunkt des Grammatiktrainings, denn “Spaß” im eigentlichen Sinne macht es den meisten ja eher nicht. Viele Leute sind sogar der Meinung, sie “brauchen” gar keine Grammatik, weil sie ja “nur” sprechen wollen. Meine Antwort ist dann immer ein entschiedenes “Jein!”, denn auch wenn man natürlich die einzelnen Grammatik-Begriffe nicht unbedingt wissenschaftlich erfassen muss, so sollte man doch lernen, die vorhandenen Regeln richtig anzuwenden, um sich richtig und klar ausdrücken zu können.
Sprache ist wie Lego, sage ich dann oft. Man braucht natürlich vor allem viele Steine (Vokabeln), aber um wirklich coole Sachen zu bauen, muss man wissen, wie es geht. Es ist die Magie der Grammatik, diese Variationen im Sprachgebrauch zu ermöglichen. Wenn man das versteht, ist es wie ein Spiel.
4. “R wie Realistisch” - Nicht überfordern
Eine Teilnehmerin hat mir mal gesagt, sie wolle beim Deutschsprechen nicht klingen wie “irgendeine Migrantin”. Aber nicht das Dasein als Migrantin war das Problem, sondern sie hatte den Anspruch, die neue Sprache möglichst richtig und gut zu verwenden, daher war sie im Lernprozess sehr ungeduldig. Ihr habe ich erklärt, dass das Ziel toll ist, aber dass wir realistischere Etappenziele brauchen.
Für die Grammatik bedeutet das: Wer gerade mit A1 beginnt, muss und sollte noch nicht mit den Feinheiten der Satzpositionen konfrontiert sein, denn es würde ohnehin nicht helfen.
Im Vordergrund steht die Kommunikation, da soll Grammatik nicht zum Stressfaktor werden. Man kann aber durchaus die Bedeutung der Position 2 erfassen und richtig flektieren. Danach kann es zum Beispiel realistisch sein, das Modell mit Modalverben zu kombinieren, usw. Eine gute Challenge ist weder langweilig, noch überfordernd, sondern eben - genau: realistisch!
Und es ist wunderbar zu sehen, wie die kleinen Ziele Schritt für Schritt erreicht werden.
5. T wie Terminiert - Das Chaos hat System
Terminiert ist womöglich die zweite Schwierigkeit, denn es gibt im Lernprozess keine klaren Deadlines für Grammatik. Dennoch gibt es im GER durchaus Hinweise, was man wann erlernen sollte. Wenn A1 zum Beispiel bedeutet, dass man “sich und andere vorstellen und anderen Leuten Fragen zu ihrer Person stellen” kann, sollte man verschiedene Verbformen und die Struktur von Fragesätzen beherrschen. Und um sich in B2 “zu einem breiten Themenspektrum klar und detailliert ausdrücken” zu können, braucht man verschiedene Verbindungselemente.
Im Übrigen gibt es, sofern man sich innerhalb der spezifischen Einzelschritte bewegt, auch keine “Angst vor dem weißen Blatt”. Man füllt etwas aus, man ergänzt, und selbst wenn es sich um eine Schreibaufgabe handelt (z.B. 7 Sätze, was man gestern gemacht hat.), ist immer klar, was man tun soll und wie es funktioniert.
Wie ich bereits sagte: die perfekte Challenge! Wenn ich es schaffe, dass im Laufe der Grammatikstunde ein kleiner Funke auf die Teilnehmenden überspringt, bin ich immer glücklich.